Johannes Fluhr gestorben

Im Alter von 89 Jahren starb letzte Woche das Sportbund-Gründungs-Mitglied Johannes Fluhr. Bis vor drei Jahren war er als Zuschauer und Fan in der Sporthalle Nord dabei. Die Beerdigung findet am morgigen Dienstag, 24. April, 10:00 Uhr, auf dem Fangelsbach-Friedhof statt. Anschließend wird um 12:10 Uhr ein Trauer-Gottesdienst in St. Eberhard, seiner Heimatgemeinde in der Königstraße, zelebriert.    

Sportbund-Geschichte

Im Jahr 1947, kurz nach Ende des 2. Weltkrieges: Stuttgart lag in Trümmern, als sich in der Ministranten-Gruppe der katholischen Gemeinde St. Eberhard einige Tischtennis-Verrückte fanden, die den Sportbund gründeten. Mit dabei: Der damals 18-jährige Johannes („Hannes“) Fluhr. Gemeinsam mit dem langjährigen Abteilungsleiter Dr. Kuno Walter und Eugen Vetter gehörte er zu den Gründungsvätern des Vereins. Zunächst wurde in den Gemeinderäumen, dann im Keller des Kunstgebäudes (am Schlossplatz) gespielt – unter heute unvorstellbar schlechten Bedingungen. Im Winter gab es Glatteis („Eiskeller“).

Der gelernte Flaschner Fluhr mit eigener Firma in der Blumenstaße war in dieser Zeit neben dem eigenen Tischtennis-Spielen vor allem als Materialwart gefragt. Er besorgte unter anderem Tische, obwohl es für solche Zwecke „eigentlich“ kein Holz gab. In den späteren erfolgreichen 50-er und 60-er Jahren begleitete er die Teams häufig zu den Spielen, leistete wertvolle Betreuer- und Fahrer-Tätigkeiten. Der damalige Spieler Peter Grieb lobte: „Er war Mädchen für alles.“ Bis vor einigen Jahren hatte er bei den Heimspielen der 1. Herren seinen Stammplatz auf der Tribüne der Sporthalle Nord. Wenn die Mannschaft Ansporn benötigte, schallte es „auf die Roten“ von oben – und die anderen Fans schlugen ein in den Chor. Das ging so weit, dass er als über 80-Jähriger auf einer Trommel für zusätzlichen Fan-Lärm sorgte. Hannes hatte ein gutes Gespür, wann die eigenen Spieler moralische Unterstützung brauchten.

In seinen 71 Jahren Mitgliedschaft (!) waren seine unermüdliche Freude an sportlichen Leistungen seines Sportbunds das eine. Die andere, die menschliche Seite, offenbarte einen feinen Menschen. Zwei Eigenschaften ragten besonders heraus: Sein stark ausgeprägtes Gefühl für Zusammenhalt und sein einzigartiger Humor.

Vereins-Zusammenhalt

In zahlreichen Sitzungen des Vereins war Hannes Fluhr eher der stille Zuhörer. Lebendig wurde er immer dann, wenn eine Diskussion in menschliche Auseinandersetzungen auszuarten drohte. Es folgte stets ein Zwischenruf von Hannes in der Form „Seid friedlich – einigt Euch!“ Hinter diesem Wunsch, dieser Aufforderung an die Mitglieder steckte weit mehr als ein plumper Zwischenruf. Da war sein Anspruch, christliche Werte zu leben. Er blieb seiner St. Eberhard-Gemeinde Zeit seines Lebens treu, gehörte über Jahrzehnte dem Kirchengemeinderat an und gestaltete die Gottesdienste mit. Und ihm war das Gemeinsame immer wichtig. All seine Erzählungen aus der Vergangenheit beinhalteten nie ein „ich“, sondern es ging immer um das „wir“, den Vereins-Zusammenhalt. Und da war sein Weitblick, die Sicht auf das große Ganze. Während die verantwortlichen Vereins-Mitarbeiter im Strudel der Alltags-Arbeit so manches Mal in Detail-Problemen feststeckten, manchmal den Sport, die Regeln, den Vereinsplan und das Persönliche im Vordergrund sahen, erinnerte Hannes in diesen Momenten mahnend: Es geht um den einzelnen Menschen – der sich in einer funktionierenden Gemeinschaft am wohlsten fühlt. Das gelang Hannes wie kaum einem anderen, die Relationen wieder zurechtzurücken. Oder anders gesagt: Die Sportbundler mit seinem schwäbischen Humor und Weitblick wieder „herunter zu holen“.

Humor

Schlechte Laune war Hannes Fluhr fremd. Es sah immer die positiven Seiten des Lebens. Daraus resultierte ein einzigartiger Humor. Sich selbst stellte er dabei in den Hintergrund, machte sich kleiner als er war. So blickte er auf seine spielerischen Leistungen als Tischtennis-Spieler fast schon sarkastisch zurück: „Ich konnte nix, aber ich war dabei. Einmal spielte ich sogar in der 1. Mannschaft. Wir waren zu fünft und es brauchte einen Fahrer. Also brachte ich den Wagen aus meinem Geschäft. Und ich durfte nicht nur fahren, sondern auch spielen. Da bin ich stolz drauf, auf diesen Einsatz.“ Häufig wurde in späteren Jahren am Stammtisch der Gründungsmitglieder philosophiert. Da ging es auch um die gemeinsamen Schulzeiten der befreundeten Hannes Fluhr und Kuno Walter. Beide besuchten das humanistische Eberhard-Ludwigs-Gymnasium, Fluhr eine Klasse unter Walter. Das veranlasste Fluhr zum Kommentar über seinen Bildungshintergund: „Ich bin wohl der einzige Installateur in Stuttgart, der Alt-Griechisch kann …“ Über eine Geschichte aus den (ärmlichen) Anfangsjahren nach dem Krieg konnte er sich auch ein halbes Jahrhundert später noch diebisch freuen. Er hatte als „Materialwart“ von einem zerstörten Grundstück eine Holzplatte „entnommen“. Diese richtete er auf die Maße eines Tischtennis-Tisches. Dann musste der Tisch nur noch mit Farbe versehen werden, um ihn spielfertig zu machen. Deshalb bekam ein befreundeter Maler diesen finalen Arbeitsauftrag. Als der Tisch fertig war, staunte Hannes Fluhr nicht schlecht: „Ich hatte ihm gesagt, er soll eine 3 Millimeter breite Mittellinie aufmalen, aber dann hat er die weiße Linie 30 Zentimeter breit draufgemalt.“ Sein folgendes verschmitztes Lachen bleibt unvergessen. Hannes konnte eine Gruppe einfach bei (guter) Laune halten.

„Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“  (Friedrich Bonhoeffer)

Danke für alles, danke, dass Du einer von uns warst, Hannes!

Thomas Walter

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