Spielerin der Saison 2023/24: Sarah Kornau!

„Ich bin in der Weltrangliste!“ Sarah Kornau postete am Sonntag begeistert ihre Freude heraus – mit Blick auf das Ranking. Ihre Begeisterung umfasst zwei Aspekte: Sie ist ist in der weltweiten Elite der Rollstuhlfahrerinnen („Class 5“) angekommen. Auf Platz 20 des Rankings steht sie, inmitten von Chinesinnen, Nigerianerinnen, Koreanerinnen, Schwedinnen, Thailänderinnen, Ägypterinnen usw. Viel wichtiger: Sarah lebt das, was der Sport sein soll: Freude, Spielwitz, Gemeinsinn, Spaß am Leben …

Foto: Sarahs Ritual – „Ich rieche am Schläger – und dann fühle ich mich gut!“

Sportliche Erfolge

„Im Alter von über 25 Jahren kommt man in keinen Kader mehr. Ich bin leider zu spät im Rollstuhl gelandet.“ Mit tiefgründiger Selbstironie erzählt die 41-jährige Sarah über ihren Einstieg in den Tischtennis-Rollstuhlsport. Doch ihr ist der späte Start in die Weltelite gelungen. Der Beweis: Am Samstag unterlag sie der Weltranglistenzweiten Alexandra Saint Pierre aus Frankreich nach vier knappen Sätzen. Ort des Geschehens: Die Internationalen Meisterschaften von Tschechien in Ostrava, an denen sie mit dem Deutschen Nationalkader teilnahm. Pro Jahr finden 15 – 20 solcher Turniere weltweit statt. „Da kann ich aber nicht überall teilnehmen, weil ich das als Selbstzahler bestreite. Deshalb habe ich auch Interesse an Sponsoren“, wie Sarah augenzwinkernd wirbt. Immerhin: Bei 4 Turnierteilnahmen oder insgesamt 2 Siegen gelangt man in die Weltrangliste. Das hat sie mit ihrem Halbfinal-Erfolg in Ostrava geschafft. Auf Platz 20 ist sie nun eingestiegen. Steigerungsmöglichkeiten nicht ausgeschlossen. „Ich habe eigentlich gegen alle eine Chance.“

Chancen hat sie sportlich auch in der Sportbund-Punkterunde gegen die „Stehenden“. Mit einer 6:6-Bilanz im Einzel steht sie in der 4. Damen (Bezirksliga) inmitten ihrer „nichtbehinderten“ Konkurrenz. Auch die 2:1 Erfolge in der Kreisklasse A der Herren sowie die daraus resultierenden 1.067 TTR-Punkte sind ein beachtlicher Leistungsnachweis. Denn: Der Leser stelle sich vor, sie/er müsste im Sitzen gegen die laufende Konkurrenz spielen!

Doch für Sarah hat Tischtennis und der Wettkampf eine weit größere Bedeutung als die Zahlen ihrer Siege und Niederlagen …

Sarah Kornau 2017Vorbild im Umgang mit dem Schicksal

Wer in der Ostheimer Sporthalle die Trainingsteilnehmer beobachtet, erlebt sie alle: die Freudigen, die Ruhigen, die vom Arbeitstag Gezeichneten und die Bruddelnden (wir sind ja Schwaben). Es soll nicht pathetisch klingen, eher eine Zustandsbeschreibung der täglichen Wetterabläufe: Wenn Sarah auf ihrem Rollstuhl energiegeladen die Halle betritt, dann geht die Sonne auf. Denn: Mit einem breiten Strahlen, erwartungsfreudig und Kontakt suchend stürmt sie auf ihre Bühne mit den Tischtennis-Tischen. „Wenn ich am Tisch bin, vergesse ich mein Handicap. Das ist wie Medizin, ich fühle mich besser, auch vom Kopf her einfach normal“, erklärt sie ihre für „Gesunde“ nur schwer nachvollziehbaren Gefühle. „Der Sport tut mir einfach gut, ich konzentriere mich auf die schnellen Bälle, die Tricks und habe einfach Spielfreude.“

Aber das ist nur die eine Seite der Sarah Kornau. „Es ist nicht immer alles nur easy. Ich falle oft aus.“ Sie erzählt von ihrem schweren Schicksal: „2014 hatte ich aus dem Nichts heraus ein akutes Leberversagen. Neun Tage lag ich auf der Intensivstation, dann kam die Lebertransplantation. Einen Tag später und ich wäre nicht mehr aufgewacht.“ Seit Oktober 2016 sitzt Sarah im Rollstuhl. Im Februar 2021 wurde eine zweite Lebertransplantation notwendig. Zuvor musste sie gesundheitsbedingt eine dreijährige Sport-Pause einlegen. „Trotzdem habe ich immer wieder gesundheitliche Einschränkungen. “ Sie klagt nicht, sieht vielmehr das Positive: „Das häufige Kopfweh bekommen nicht alle in meiner Umgebung mit. Und beim Tischtennis ist es besser.“ Die studierte Sonderpädagogin war einige Jahre an einer Förderschule für Kinder mit Lernbehinderung tätig. „Doch ich falle einfach zu oft gesundheitlich bedingt aus.“ Deshalb ist sie gezwungenermaßen im Ruhestand. „Im Tischtennis ist das eher zu händeln. Da kann ich pausieren, wenn es mal nicht geht.“ Doch die Motivation ist immer groß, die Initiative zu ergreifen. „Der Sport hilft einfach, rauszugehen“, stellt die im Stuttgarter Osten wohnende Sarah fest.

Und wie es geht! Wenn Sarah am Tisch schnelle Ballwechsel spielt oder sich nicht zu schade ist, mit Anfängern zu klickern, blüht sie regelrecht auf. Ein echtes Vorbild an Lebensfreude. Da kann sich jeder etwas abschauen!

Sportbund als Heimat

Sarah hat mit dem Tischtennissport vor der Haustüre ihres Elternhauses begonnen, beim TSV Münster. Danach wechselte sie zum SV Sillenbuch, dann zur RKV Neckarweihingen. Mit den beiden Özler-Schwestern (Fulya nahm für die Türkei an der EM teil) wurde sie dort Meisterin der Verbandsliga Mädchen, stand damit im Württembergischen Halbfinale. Mit dem Wechsel zu den Aktiven (Damen) fand auch der zum Sportbund statt. „Ich bin immer wieder mit anderen Mannschaften aufgestiegen“, schmunzelt Sarah (Foto unten: 4. Damen im Januar 2014). Damen 4 VorrundeBis zur Landesliga reichte es für sie. Parallel trainierte sie in der gesamten Jugendzeit im Bezirkskader. Die Sportbund-Hallen waren die Trainingsorte. „Da habe ich die richtige Technik gelernt – was für ein Geschenk im Nachhinein in meiner jetzigen Situation.“ Aber ihren Heimatverein schätzt sie aus anderen Gründen noch viel mehr. „Hier sind einfach viele Leute, die mir gut tun. In jedem Training bekomme ich so den Kopf frei.“ Und: „Beim Sportbund fühle ich mich völlig normal.“ Und ergänzt wieder mit einem Schmunzeln: „Am Anfang war ich ja die Einzige im Rollstuhl, sah immer nur Leute ohne …“

Foto: Sarah im Jahr 2017 bei „Sport im Dritten“ als „Vorbild des Jahres“

Siehe auch in Facebook das Video hier

Und weil Optimismus immer die schönen Dinge der Zukunft beinhaltet, fragt Sarah zum Abschluss, ob sie wieder beim Saisonvorbereitungslehrgang in Tailfingen dabei sein darf. Ihr Freund Frank würde sie auch gerne wie die letzten beiden Jahre begleiten. „Wir sind auch flexibel und bringen im Notfall Bälle mit“, ergänzt sie schnippisch angesichts des im Vorjahr zunächst fehlenden Spielmaterials. Was für eine Frage? Sarah ist für den Sportbund immer ein Gewinn. Bei dieser Einschätzung geht es nicht darum, die 3. Bundesliga-Mannschaft zu verstärken. Vielmehr sind mit Sarah menschliche Qualitäten und Lebensfreude beim Sportbund in jeder Situation – um im Bild zu bleiben – auf 1. Liga-Niveau!

Thomas Walter

 

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