PingPongParkinson Portugal Open 2022 mit Uwe Kalkhoff

Uwe Kalkhoff trainiert seit einigen Wochen mit Sportbunds Parkinson-Trainingsgruppe. Myrna Frosch hat sich in der Vorbereitung auf sein erstes Turnier besonders mit Balleimer-Training um ihn gekümmert. Nun startete er in Portugal und berichtet von dem großen Ereignis:

Mein erstes PingPongParkinson-Tischtennisturnier und mein erstes Tischtennisturnier überhaupt.
Was erwartet mich in Portugal? Bin ich gut genug, um mit den anderen Spielern mithalten zu  können? Wie werde ich bei den anderen Teilnehmern aufgenommen? Fragen über Fragen…

Foto: Uwe Kalkhoff mit Finalgegner Maik Gühmann

Am 29.06.2022 stehe ich am Flughafen Stuttgart und warte auf meinen Flieger nach Lissabon, voller Vorfreude, aber auch etwas nervös und angespannt. Um 12.45 Uhr lande ich in Portugal. Während ich auf meinen Koffer warte, erfahre ich über WhatsApp, dass ein weiterer Teilnehmer aus Deutschland auch soeben gelandet ist und auf sein Gepäck wartet, wir verabreden uns spontan am Gepäck-Laufband. Dort angekommen treffe ich auf Jörg und seine Frau Jeanine, die beiden sind mir auf Anhieb sympathisch. Gemeinsam teilen wir uns ein Uber-Taxi nach Estoril zu unseren Hotels. Dort angekommen heißt es erst mal im Hotel einchecken und auspacken. Über unsere WhatsApp-Gruppe verabrede ich mich mit einigen anderen Teilnehmern aus Deutschland zum Abendessen im Nachbarhotel. Beim Abendessen wird schnell klar, dass es unnötig war, mir Gedanken zu machen, wie ich in der Gruppe aufgenommen werde. Obwohl die anderen sich schon von anderen Turnieren kannten, habe ich von Anfang an das Gefühl dazu zu gehören, auch dank Lars Rokitta, der „Leader“ der Truppe, der mich in die Gemeinschaft eingeführt und mir auch meinen Doppelpartner Horst vermittelt hat. „Danke Dir lieber Lars!“

Nachdem am nächsten Tag auch endlich meine Freundin in Portugal angekommen ist, warten wir alle gemeinsam vor dem Hotel auf das für 15 Uhr angekündigte Shuttle, das uns zum Sportzentrum (Complexo Desportivo de Alcabideche) bringen soll, wo wir unsere ersten Trainingseinheiten absolvieren wollen. Letztendlich fahren wir dann gegen 15.30 Uhr mit 2 Uber-Taxen zum Sportzentrum. In Portugal ist eben alles etwas entspannter. Das werden wir noch häufiger feststellen, mindert aber die allgemein gute Stimmung und die Vorfreude auf das kommende Turnier nicht. Leider ist das Teilnehmerfeld eher klein, über alle Klassen gibt es nur 35 Teilnehmer aus insgesamt acht Ländern. Überhaupt, die tolle Gemeinschaft, v.a. im „Team Germany“, ist überwältigend und wie meine Freundin und ich in der Gruppe aufgenommen wurden, war einfach fantastisch, wir haben uns sofort sehr wohl gefühlt! Nach unseren ersten Trainingseinheiten geht es zurück zu unseren Hotels.

Freitag, 1. Juli 2022, der erste Turniertag steht an, die Spannung steigt. Vorfreude, Aufregung und Nervosität wechseln bei mir im Minutentakt, aber endlich geht es los! Wir fahren gegen 8.30 Uhr zum Sportzentrum. Nach den ersten Aufwärmspielen beginnt um 10.15 Uhr mit dem Einmarsch der Teilnehmer unter der Führung einer lokalen Musikgruppe das Turnier. Endlich! Mein erstes Gruppenspiel gegen einen Portugiesen beginne ich nervös und ich ärgere mich über so manchen unnötigen Fehler, aber letztendlich gewinne ich mein erstes Spiel mit 13:11 / 11:5 / 11:4. Ich bin im Turnier angekommen und überglücklich, dass ich vor lauter Nervosität keinen Fehlstart hingelegt habe. Das zweite Gruppenspiel gewinne ich gegen einen weiteren Portugiesen nach erneut holprigem Beginn, dann doch klar mit 11:6 / 11:2 / 11:4. Beim dritten Gruppenspiel muss ich gegen meinen Doppelpartner Horst antreten. Na super!, dachte ich, gleich in der Vorrunde gegen einen Landsmann und Freund. Aber das Teilnehmerfeld war nunmal von Deutschland und Portugal dominiert. Hilft ja nichts, am Tisch gibt es keine Freunde, nur Gegner 😉  Sorry, Horst! Mit 11:7 / 11:0 / 10:12 und 11:9 entscheide ich auch diese Partie für mich und ziehe als Gruppenerster ins Halbfinale ein.
Bei den Doppelspielen läuft es leider nicht so gut: Wegen der geringen Teilnehmerzahl werden die drei Leistungsklassen zusammengelegt und als einziges Doppel aus der Klasse 3 haben wir keine Chance. Wir verlieren alle drei Vorrundenspiele (u.a. gegen die späteren 1.- und 2.-Platzierten) und scheiden ohne Satzgewinn etwas frustriert aus. Insgesamt bin ich mit meinem Abschneiden am ersten Turniertag trotz der unbefriedigenden Doppelspiele sehr zufrieden und fahre erschöpft, aber gut gelaunt ins Hotel zurück.

Tag 2 des Turniers (Samstag): Laut Zeitplan habe ich heute frei. Wie, kein Spiel? Das kann doch nicht sein! Aber tatsächlich, auch nach Rückfrage bei der Turnierleitung sind nur noch die Vorrundenspiele anderer Klassen und Gruppen bis zum Halbfinale angesetzt. Die Halbfinal- und Finalspiele sollen dann am Sonntag stattfinden. So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt. Ok, man muss das beste aus der Situation machen, also Trainingspartner gesucht und an freien Tischen trainiert. Lieber Kurth, vielen Dank für die super Trainingseinheiten! Gegen 12 Uhr bin ich ziemlich ausgepowert, und die Wirkung der Medikamente lässt nach – kein Wunder, um 12.30 Uhr ist die nächste Tablette fällig. Plötzlich wird um 12.15 Uhr über die Hallenlautsprecher das
Halbfinale der Männer in Klasse 3 angekündigt. Wie bitte, damit bin ja ich gemeint, das kann nicht wahr sein, das sollte doch am Sonntag stattfinden! Doch es ist wahr. Völlig kraftlos nehme ich noch schnell meine Tablette in der Hoffnung, dass die Wirkung noch im Verlauf des Spiels einsetzt. Mein Gegner Bernd, der auch aus Deutschland kommt, erwischt es ebenso kalt, im wahrsten Sinne des Wortes, er hat sich bislang nur die Spiele der anderen angesehen. Beide nicht in bester Verfassung spielen wir unser Halbfinale. Das Spiel ist von vielen Fehlern auf beiden Seiten geprägt. Nach 20 mir endlos erscheinenden Minuten und 5 Sätzen, 6:11 / 11:8 / 11:9 / 9:11 / 11:5, gehe ich völlig erschöpft als Sieger vom Platz. Meine Freundin, die alle meine Spiele von der Tribüne aus filmt, wird mir später erzählen, dass sie mich noch nie so kraftlos mit wackligen Beinen gesehen hat. Meine Gefühle fahren mit mir Achterbahn, zu meinen ersten Gratulanten in diesem emotionalen Moment gehört Maik Gühmann, u.a. German Open Sieger 2022 und mein späterer Finalgegner. Wir haben uns vom ersten Tag an gut verstanden und sind sehr gute Freunde geworden.

Tag 3, Tag der Entscheidungen, Finaltag. Ich bin nervös, weiß ich doch, was für ein schwerer Gegner mich im Finale erwartet. Den ganzen Vormittag warte ich ungeduldig, dass mein Finalspiel endlich aufgerufen wird. Ein Finale folgt auf das andere, nur meins lässt auf sich warten. In mir wächst die Sorge, dass ich wieder ran muss, wenn die Wirkung meiner Medikamente nachlässt. Soll ich die Einnahme vorziehen? Ich entscheide mich dagegen, was sich als Fehler erweist. Nur kurze Zeit später erfahre ich, dass mein Finalspiel als nächstes dran ist ist. Wie schon am Tag zuvor werfe ich schnell noch meine Tablette ein und denke, wenigstens hab ich mich dieses Mal nicht in Trainingsspielen ausgepowert. Eigentlich könnte ich entspannt in das Spiel gehen, mit dem Finaleinzug habe ich schon viel erreicht für mein erstes Turnier, aber ich will mehr, ich will gewinnen – Maik aber auch. Nach kurzem Einspielen wünschen wir uns gegenseitig viel Glück und beginnen um 12.07 Uhr unser Finale. Ich beginne gut, meine Aufschläge kommen so, wie ich es mir vorgenommen habe, schnell liege ich 5:1 vorne. Ich denke mir, es läuft, wenn ich so weitermache, kann ich gewinnen. Doch dann fange ich an, zu viel nachzudenken. Und es kommt wie es kommen muss: Maik bleibt cool und holt auf, ich bleibe zwar bis zum 9:7 in Führung, aber Maik gewinnt den 1. Satz mit 9:11. Zweiter Satz, ähnliches Bild, ich gehe wieder in Führung,  behalte diese auch bis zum 9:7 und verliere dennoch mit 11:13. Satz 3, erneut gehe ich in Führung, dieses Mal allerdings nur bis zum 6:4, ich verliere den Satz mit 7:11 und somit das Finale. Mit Maik hat das Turnier einen würdigen Sieger in der Klasse 3. Er hat es verdient, und ich gönne ihm den Sieg von ganzem Herzen.
Nach den Finalspielen und der Siegerehrung mit einer sehr emotionalen Abschlussrede von Damásio, dem Initiator und Organisator des Turniers, geht es gegen 14 Uhr gemeinsam mit den Shuttle-Autos (!!) zur Abschlussfeier in einen Club zur „Sardinhada“ (Sardinenschmaus), wo ausgiebig gefeiert wird! Hier zeigt sich die herzliche portugiesische Gastfreundschaft, die die teilweise etwas chaotische Organisation des Turniers mehr als ausgleicht. Schön ist auch, dass wir dank der überschaubaren Teilnehmerzahl am Schluss fast alle kennengelernt haben. Es entstand ein Gemeinschaftsgefühl, das bei einem größeren Turnier so sicherlich nicht zustandekommen kann. Dennoch wünschen wir allen Parkinson-Betroffenen in Portugal, dass die Teilnehmerzahlen zukünftig kräftig ansteigen!

Am nächsten Tag geht es für die meisten zurück nach Hause. Meine Freundin und ich bleiben noch für zwei weitere Tage in Lissabon. Ehrlicherweise benötigen wir keine neuen Eindrücke mehr, denn wir sind aufgewühlt von all den tollen Erfahrungen, Bekanntschaften und Emotionen der vergangenen Tage. Trotz des anstrengenden Wettkampfs haben die Teilnehmer und ihre Angehörigen unglaublich viel Leichtigkeit und Freude in unser Leben gebracht, die wir seit langer Zeit Parkinson-bedingt so nicht erleben konnten. Wir schlendern daher nur durch Lissabon und versuchen, die vielen neuen Eindrücke zu verarbeiten.

Wie von den anderen Teilnehmern vorhergesagt, fallen wir nach unserer Rückkehr in ein gewisses Loch. Wir vermissen die Gemeinschaft, den Austausch unter- und das Verständnis füreinander und die vielen tollen Menschen, die wir kennenlernen durften. Doch wir wissen nun, dass PingPongParkinson unser beider Leben auf unvorstellbare Weise bereichert, und werden versuchen, mehr davon zu erleben und in unseren Alltag einzubinden. Das PingPongParkinson-Fieber hat mich und auch meine Freundin also gepackt, und wir freuen uns schon sehr darauf, im Oktober bei der WM in Kroatien hoffentlich alle wiederzusehen!
All diejenigen, die bislang noch gezögert haben teilzunehmen oder überhaupt das Spielen anzufangen, möchten wir ermutigen. Erst auf dem Turnier wurde uns bewusst, welch positiven Einfluss Tischtennis auf die Parkinson-Symptomik haben kann, wie es den Kampfgeist wieder weckt und wie gut das in einer Gemeinschaft tut, die einen versteht und keine Erklärungen benötigt.

Uwe Kalkhoff

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